I:KOMPOSTITION:I

Ein Projekt von Quartett PLUS 1 & Verena Ries im Rahmen ihrer künstlerischen I:Ritualforschung:I

Beschreibung

In diesem Konzertritual im Gemüsegarten übersetzt Quartett PLUS 1, in Zusammenarbeit mit dem Permakulturgärtner André Brun, Kreisläufe aus der Natur in ein musikalisch-performatives Ritual. Auf der Basis von musikalischen Motiven aus Vivaldis ,Vier Jahreszeiten‘ komponiert Bo Wiget einen neuen Kompostitionsremix für Streichtrio, Stimmen und Soundscape. Quartett PLUS 1 und das generationsübergreifende Publikum sind den Regenwürmern dicht auf der Spur: Sie schwingen Fahnen und Spaten, lernen die Randzonen des Sonnengartens Sorsum kennen, säen und ernten Gemüse und stecken ihre Hände bis zum Ellenbogen in die Erde. Sie feiern den Kreislauf des Gartens und wagen einen kleinen Schritt in Richtung der großen Transformation. Können Nachhaltigkeit und ökologischer Wandel durch ein Konzertritual im Gemüsegarten erfahrbar werden? Und: Hat im „Kompost“ wirklich alles seinen Wert und steht er der „Komposition“ damit vielleicht näher als wir denken?

Zielsetzung

Ziel von KOMPOSTITION ist es, einfache Zugänge zu einer klassischen Formation wie dem Streichtrio und zu zeitgenössischer Musik zu legen. In unserer musikalischen Arbeit möchten wir die Grenzen zwischen E- und U- Musik sowie zwischen musikalischen Genres auflösen und damit den Musikbegriff erweitern. Für dieses Konzertritual wird neue Musik komponiert, die inspiriert ist vom Thema Kreisläufe in der Natur und Metamorphose. Ziel ist es dabei, akustische Lösungen für das Musizieren eines Streich-Trios unter freiem Himmel, bzw. in einem Gewächshaus zu finden. Die klassische Musik bringen wir mit dem Garten und den dort stattfindenden Kreisläufen in eine ungewohnte Verbindung und schaffen dadurch neue Hör-Perspektiven. In dieser Umgebung werden die Schwellenängste gegenüber einem klassischen Ensemble abgebaut und eine direkte, sinnliche Erfahrung ermöglicht. Weiterhin wollen wir die Verknüpfung von Musik mit Handlungen, Bewegung und Raum als integrale Bestandteile einer Komposition begreifbar machen. Wie schon in den bisherigen künstlerischen Ritualen von Quartett PLUS 1 werden die Musiker*innen zu aktiven Zeremonienbegleiter*innen. Um Vertrautheit und Gemeinschaft mit dem Publikum herzustellen werden die Gäste auf Augenhöhe zum Handeln durch Nachahmung geführt und so Teil einer kollektiven Komposition im (Garten-)Raum.

"Musik kann diese verändernde Funktion haben. Sie kann die Menschen an ihre organische Beziehung zur natürlichen Welt erinnern, an eine Verbindung, die fast verloren gegangen ist. Sie kann Anstöße geben, Neues und Größeres zu denken.“ (Kim Kashkashian, Violistin)

Nachhaltigkeit soll nicht mit didaktischem Zeigefinger, dafür mit Gesang und Streichinstrumenten, sinnlich und mit viel Humor dem Publikum nahegebracht werden. Bereits 2016 hat sich Quartett PLUS 1 in dem Projekt „Songs of Sprouts“ mit einem Hybrid aus Vorträgen, Gemüse/ Essen und Musik auseinandergesetzt und für Kulturbüro und Klimaschutzstelle der Landeshauptstadt Hannover ein interdisziplinäres Symposium gestaltet. Zusätzlich zur thematischen Auseinandersetzung und der Übersetzung in eine künstlerisch-ästhetische Form, ging es dort darum, emotionale Zugänge zu Nachhaltigkeit als menschliche Verantwortungsgemeinschaft gegenüber der Erde zu schaffen.

Mit KOMPOSTITION beginnen wir die große Transformation im Kleinen, im Garten. Dort begehen wir ein Fest der Lebenskreisläufe. Feste bzw. Rituale stabilisieren das Leben. „Sie machen die Welt zu einem verlässlichen Ort“, so der Philosoph Byung -Chul Han. „Die Welt ist heute sehr arm an Symbolischem. Daten und Informationen besitzen keine Symbolkraft.“ Gerade die Erfahrung von Transformation, Übergang, Veränderung ist in pandemischen Zeiten aktueller denn je. Uns wird bewusst, dass uns Orientierung, Gemeinschaft, Bedeutung und Werte fehlen, bzw. diese neu verhandelt werden müssen. Umgekehrt schafft diese Unsicherheit Raum für Neues und stimuliert die Suche. Wir sind frei selbst Rituale für und mit den eigenen Lebens- und Arbeitsgemeinschaften zu kreieren, uns mit unserer Umwelt und Themen auseinanderzusetzen, mit dem Kreislauf des Lebens zu verbinden, unseren Handlungen Sinn zu geben und sie (neu) zu gestalten. Rituale sind symbolische Handlung. Sie ermöglichen ein Verstehen auf verschiedenen Ebenen, auch jenen, die jenseits der sprachlichen und kognitiven Prozesse sind. Rituale bringen Resonanzgemeinschaft hervor, die zu einem Zusammenklang, zu einem gemeinsamen Rhythmus fähig ist.

Die soziale und ökologische Transformation ist real, dieser kulturellen Herausforderung wollen wir mit KOMPOSTITION ästhetisch begegnen. Mit seiner experimentell-sinnlichen Herangehensweise legt das Projekt niederschwellige Zugänge zu diesen komplexen Themen und transformiert Nachhaltigkeit in ein künstlerisch-ästhetisches Erlebnis.

KOMPOSTITION will Wissen durch praktisches Handeln spielerisch vermitteln und kreativ anwenden, sowohl im begleitenden Vermittlungsmodul mit Kindern als auch während der künstlerischen Aufführungen. Das Projekt will allen Teilnehmenden nahebringen, dass es diverse Arten, Traditionen und Kulturen im Umgang mit den genannten Themen gibt. Mit dem Kreislauf aus „Erde-Samen-Pflanze-Frucht-Kompost-Erde“ begreifen wir, dass nichts verloren geht und alles seinen Wert hat. Wenn wir diesen als Vorbild für unser Handeln verstehen, können sich die Teilnehmenden als Teil einer Gemeinschaft und der großen Lebenskreisläufe begreifen. Das experimentell vermittelte Wissen über Kreisläufe können die Teilnehmenden nach den Aufführungen mit in den Alltag nehmen und ein Stück ihres Stadt- oder Dorfalltags neu gestalten. Die am Vermittlungsmodul teilnehmenden Einrichtungen (Kita, Schule) können die Erfahrung und das Workshopwissen in ihre pädagogischen Strukturen aufnehmen.

Beteiligte

Kooperationspartner/Förderer
Produziert von Michaela Grön, Ev.-luth. Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt. Ausgezeichnet mit dem Förderpreis Musikvermittlung der niedersächsischen Sparkassenstiftung und Musikland Niedersachsen. Gefördert durch Stiftung Niedersachsen, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Friedrich Weinhagen Stiftung, Stadt Hildesheim, Bürgerstiftung Hildesheim, Landkreis Hildesheim, Andere Zeiten, Bingo! Umweltstiftung Niedersachen, Evangelisch-Lutherische Landeskirche
Team
Katharina Pfänder - Violine, Performance; Kathrina Hülsmann - Viola, Performance, Lisa Stepf - Cello, Performance; Verena Ries - Regie, Performance / Kostüm: Tatjana Kautsch / Komposition: Bo Wiget / Permakultur: André Brun / Dokumentation: Jörg Finger & Markus Neumann / Grafik: Lowlypaper (Marion Blomeyer) / Produktionsassistenz: Meret Buchholz; Charlotte Schönnagel / Produktion: Michaela Grön, Ev.-luth. Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt. „Lernen eine Welt zu sein“. Ein Friedensort der Landeskirche Hannovers.

Preise und Auszeichnungen

2021: Förderpreis Musikvermittlung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und Musikland Niedersachsen

Medien