3. Zeitgemäße Bildung

Verschiedene Modelle werden im Rahmen der digitalen Bildung diskutiert. SAMR, T-Pack, Dachstuhldreieck. Sie alle werden auf der Seite des Pädagogen Jan Vedder vorgestellt.

Das 4K Modell

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Die Grafiken »Was die Leute für 4K halten – und was es wirklich ist« stehen unter der Lizenz CC BY 4.0. Sie stammen von Jöran Muuß-Merholz mit Zeichnungen von Hannah Birr, Agentur J&K auf Basis einer Folie von Markus Bölling. Die Grafiken stehen auch als Foliensatz (mit den gleichen Lizenzbedingungen) zur Verfügung: Google Slides.

Wir möchten Ihnen im Folgenden das hier abgebildete 4K-Modell vorstellen. Das 4K-Modell basiert auf dem Einbezug der Lernenden. Es kann den Schüler*innen nicht wie eine Formel beigebracht und »angewendet« werden, sondern setzt Augenhöhe, gegenseitigen Austausch und Lernbereitschaft auf beiden Seiten voraus. Das Modell erfordert Freiräume und Spielräume sowie den Mut zur Ergebnisoffenheit. Mit Hilfe des 4K-Modells wird der Weg in eine Lernkultur geebnet, in der die Entwicklung von Selbstverantwortlichkeit und Selbstwirksamkeit im Mittelpunkt stehen.

Die 4KsKreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation – haben Einfluss auf die Haltung und Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, auf Methoden, Konzepte, auf Räume, Materialien und Inhalte.

In dieser zeitgemäßen Lernkultur stellen sich Lehrende z.B. folgende Fragen:

  • Wie transformiere ich Inhalte vom Nachmachen zum Selbermachen – wie ermutige ich die Schüler*innen zu produzieren, statt zu konsumieren?
  • Wie stelle ich die Lernenden in den Mittelpunkt – nicht den Lernstoff, nicht die Musik, nicht die Lehrperson?
  • Wie erfahre ich von vorhandenen Fähigkeiten und Interessen der Schüler*innen?
  • Wie stelle ich ergebnisoffene Aufgaben?
  • Wie gestalten wir projektorientierte Lernszenarien oder einen Makerspace?
  • Welches zeitgemäße Modell ist für die eigenen Umstände und Bedingungen denkbar?
  • Welches Medium eignet sich – die App, das physische Musikinstrument, die Stimme oder das Spiel mit Geräuschen aus der Umgebung oder des eigenen Körpers?
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Foto:

Frauke Hohberger

Die Rolle des Lehrenden steht im Wesentlichen auf drei Säulen:

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Abb.: Frauke Hohberger, Keynote MMM2017, Berlin

1. Räume bereitstellen

Es werden Spielräume und Freiräume geschaffen in denen nicht belehrt, sondern unterstützt wird und in denen ein lebendiger selbstbestimmter Prozess vordergründiger ist als das Ergebnis.

Werkstatträume in denen gehört, probiert, gefeilt, verworfen, das Werkzeug gewechselt und neu zugeschnitten wird.

2. Spielmaterialien

Freude am Musizieren setzt gutes Arbeitsmaterial voraus. Defekte Instrumente sind ebenso demotivierend wie Musikapps, die abstürzen oder in denen Werbung aufpoppt.

3. Unterstützende Moderation und Feedback

Kommunikation am Beispiel von »Soll-ich-Fragen«.
Oder: Vom Sollen zum Wollen - der Rest geht von allein!

Jede*r Lehrende kennt diese Sätze:

  • »Soll ich auch noch den Himmel malen?«
    - »Fertig! Was soll ich jetzt machen?«
  • »Soll ich auch noch eine Melodie machen?«
    - »Fertig! Was soll ich jetzt machen?
  • »Soll ich den Satz noch schreiben, die Aufgabe noch machen, den Stuhl hochstellen, die Tür zu machen?«
    - »Fertig! Was jetzt?«

Diese »Soll ich«-Sätze sind die Antwort auf Anweisungen, die mit »Du sollst…!« beginnen. Nicht selten werden Aufgabenstellung mit »Ihr sollt…!« gestartet. In didaktischen Fachzeitschriften finden sich viele Methodenbeschreibungen, die mit: »Der Schüler soll…« beginnen.

Auf diese Weise wird ein Auftrag/Abarbeiten/Ergebnis-Modus inszeniert, der keinen Raum zum eigenständigen Handeln lässt und das Gegenteil von selbstbestimmtem Denken und verantwortungsvollem Handeln vermittelt.

Stattdessen?

In den Dialog kommen und in Beziehung treten.

Als Lehrende können wir:

  • Nachfragen: »Welche Geschichte erzählt Dein Musikstück? Benötigt es ein Intro? Was könnte es stattdessen sein?«
  • Neugierig sein: »Ich bin gespannt darauf, welche Töne Du wählst und wie sie zusammen mit Deinem Rhythmus klingen.«

    »Ich bin sehr neugierig wie Eure Komposition mit Eurer neuen rhythmischen Idee klingt. Da habt Ihr einen schönen Off-Beat kreiert. Googelt doch bitte mal den Begriff Off-Beat und erzählt uns, was ihr herausgefunden habt. Und legt auch schon einmal fest, wer welche Position in Eurer Band spielt.
  • Unterstützende Angebote machen: »Probiere es in Deiner Komposition im B-Teil doch mit langen Streicherklängen in Takt 5-8.«, »Ich zeige Dir ein paar Übungen, mit denen Du den Off-Beat auf Dein Drumset übertragen kannst. Oder besser du fragst mal Semra oder Linus, die spielen doch Schlagzeug.«

    »Wie wäre es, wenn Du den Refrain in der Wiederholung einen Halbton höher schiebst? Oder einen Ganzton? Finde heraus, wie das klingt. Entscheide Dich für eine Version und sag mir dann wie die dazugehörigen Akkorde heißen.
  • Offen sein, zulassen, nicht bewerten. Unterstützen und begleiten. So erhalten So erhalten wir Informationen von den Schüler*innen über den Weg den sie zur Aufgabenlösung gewählt haben, über das, was sie gelernt haben, über das was sie als nächstes machen möchten.
    Wir erfahren, was sie verändert haben, was sie verändern wollen, wo sie herkommen und wo sie hinmöchten.

    Bei Ideen von denen wir wissen, dass sie unter den aktuellen Bedingungen (Fähigkeiten, Werkzeuge, Zeit etc.) nicht realisierbar sind, sind wir gefordert zu moderieren, zu begleiten und Alternativen aufzuzeigen. Dies erfordert Sensibilität und Einfühlungsvermögen, sodass die Motivation erhalten und die Kommunikation auf Augenhöhe bleibt.

    Als Lehrende nehmen wir den Auftrag an, Lernende aus der Passivität herauszuholen, bzw. sie aktiv einzubeziehen. Dabei agieren wir kontextsenstiv: Wann ist der richtige Zeitpunkt, Akkorde zu lernen? Wann stellt sich welche Frage? Wann wird welches Wissen eingefordert?
    Kompetenznachweise werden nicht nach einem Leistungskatalog vergeben, sondern werden aus dem direkten Tun heraus ersichtlich, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.
BEISPIEL:

Freddi (10 J.) kommt zum wiederholten Mal zu einem offenen Angebot, bei dem er bereits einen Einblick in die Nutzung verschiedener Musikapps erhielt.

Eines Tages betritt er den Raum mit einem dicken Ordner unterm Arm.

»Das sind meine Posaunennoten. Ich möchte jetzt ein Stück in Auxy übertragen und dann einen DubMix daraus machen.«

Freddi versorgt sich mit Tablet und Kopfhörer und macht sich an die Arbeit. Er entwickelt selbstständig ein Abzählverfahren, über das er seine Notenwerte in den Stepsequenzer überträgt.

»Den ersten Ton habe ich nach Gehör gesetzt - und dann musste ich ja nur abzählen«, erklärt er stolz sein System.

Über die App Launchpad verfolgt er seinen »DubMix«-Plan, indem er die für sich passenden Loops auswählt, mit denen er die in Auxy gesetzte Melodie ergänzen möchte.

Nach 90 Minuten nimmt Freddi den Kopfhörer ab und strahlt mich an: »Genauso habe ich mir das vorgestellt!«

Kompetenznachweise im 4K-Modell

In einem Kompetenznachweis können die folgenden Fähigkeiten benannt werden. Freddi kann:

  • Tonhöhen hören und unterscheiden
  • Tonlängen/Notenwerte in ein 16tel Raster übertragen
  • sich musikalisch kreativ ausdrücken und eigene Ideen formulieren und umsetzen
  • selbstständig Lösungen zur musikalischen Umsetzung seiner Ideen finden
  • tontechnisch Prozesse anwenden (Sequenzer bedienen, recorden, mischen, Soundeffekte einfügen)
  • verschiedene Musikapps bedienen und kombinieren
  • die Noten seines Posaunenstücks jetzt auswendig spielen


Freddi arbeitet konzentriert, motiviert und hat Spaß am Lernen.

Außerdem hat er die App GarageBand kennengelernt und Lust am Üben entwickelt, denn er hat sich in der App eine Band als Begleitung arrangiert.

Freddi hat selbstbestimmt im Sinne des 4K Modells gearbeitet und gelernt.

››Musikapps zu Gast im Klassenzimmer‹‹ ist ein Programm der Landesmusikakademie und Musikland Niedersachsen gGmbH und wird gefördert von der Klosterkammer Hannover und dem Aktionsprogramm Hauptsache:Musik Niedersachsen.

Die Landesmusikakademie und Musikland Niedersachsen gGmbH ist eine Gesellschaft des Landesmusikrats Niedersachsen e.V. in Kooperation mit dem Land Niedersachsen, der Stiftung Niedersachsen und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung.